Die Fähigkeit den Harndrang bewusst zu kontrollieren ist nicht angeboren. Als Säugling tragen wir Windeln, denn der Schließmuskel der Harnblase ist noch nicht ausreichend trainiert. Eine Blasenschwäche im sehr hohen Lebensalter ist nichts ungewöhnliches, viele Ursachen können hierfür in Frage kommen. Aber auch in der „Blüte der Lebenszeit“ ist niemand vor dem Thema befreit. Sowohl körperliche als auch seelische Auslöser kommen in Frage. Leider ist die Blasenschwäche in der Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema – Betroffene verstecken sich lieber. Wenn das Schamgefühl auch für den Arztbesuch zu groß ist, kann Vereinsamung und soziale Isolation die Folge sein.

Wen betrifft Blasenschwäche?

Schätzungen zu Folge ist in Deutschland etwa jede dritte Person über 65 Jahren betroffen, wobei Frauen eher die Symptomatik eher bekannt vor kommt als Männern. Frauen haben häufiger die Erfahrung mit einer belastungsbedingten Blasenschwäche, bei Männern korreliert sie oftmals mit einer gutartigen Prostatavergrößerung. Aber auch junge Menschen können betroffen sein.

Welche Arten der Blasenschwäche gibt es?

Zunächst einmal kann zwischen körperlicher und psychischer bzw. psychosomatischer Blasenschwäche unterschieden werden. Ansonsten gilt die Unterscheidung zwischen:

Reflexinkontinenz:

Symptome: Ohne dass es vorher zu nennenswertem Harndrang gekommen ist, wird durch unwillkürliche Muskelkontraktionen der Blasenwand Harn nach außen transportiert.
Ursachen: Häufige eine Verletzung im Rückenmark.

Dranginkontinenz:

Symptome: In diesem Fall wird der Harndrang so unerträglich, dass der Harn aus der Blase entweicht.
Ursachen: Blasen- oder Harnwegsinfekt; Blasenmuskelschwäche; Tumore; Neurologische Erkrankungen (Schlaganfall, Parkinson, Demenz); Blasensteine

Überlaufinkontinenz:

Symptome: Hierbei geht eine Blasenentleerungsstörung voraus. Diese führt zu einer Überfüllung der Harnblase mit anschließendem unwillkürlichem Harnabgang.
Ursachen: Fremdkörper, Harnsteine oder Tumore der ableitenden Harnwege; Gutartige Prostatavergrößerung; Nervenschäden (z. B. diabetische Polyneuropathie)

Belastungsinkontinenz:

Symptome: Ohne vorher spürbaren Harndrang kommt es zum Verlust von Urin aus der Blase.
Ursachen: Operationen am Beckenboden; Schäden am Verschlussmechanismus zwischen Blase und Harnröhre; Blasenvorfall; Östrogenmangel

Extraurethrale Harninkontinenz:

Symptome: Bei dieser Sonderform geht der Harn nicht über die Harnröhre verloren, vielmehr fließt er über Fisteln ab.
Ursachen: Diese Form der Blasenschwäche ist in der Regel angeboren

Wie wird Blasenschwäche diagnostiziert?

Am Anfang steht eine ausführliche Patientenbefragung mit Erhebung der Anamnese und Dokumentation eventueller Vorerkrankungen. Der Betroffene sollte möglichst ein Miktionstagebuch schreiben. Durch gewisse Regelmäßigkeiten können manchmal schon erste Rückschlüsse auf die Ursache gezogen werden. Im Anschluss daran steht eine körperliche Untersuchung mit Ultraschall, Blut- und Urinanalysen. Gegebenenfalls sind weitergehende Untersuchungen durch entsprechende Fachärzte notwendig.

Beeinflusst die Ernährung eine Blasenschwäche?

Die Entstehung einer Blasenschwäche hat mit Ausnahme des Diabetes mellitus wenig bis gar nichts direkt mit der Ernährung zu tun. Eine bestehende Blasenschwäche kann aber durch das Ernährungsverhalten beeinflusst werden. Zu viel Kaffee ist ebenso zu vermeiden wie scharfe Gewürze und ein Überangebot an Alkohol. All das reizt die Harnblase zusätzlich mit der Folge, dass sich die Beschwerden verschlimmern.

Ist eine Operation notwendig?

Das hängt von der Ursache bzw. der Art von Blasenschwäche ab. Die extraurethrale Form muss immer operiert werden, damit die Fisteln verschlossen werden können. Auch eine vergrößerte Prostata muss in der Regel chirurgisch versorgt werden. Eine verengte Harnröhre kann ebenso operativ versorgt werden, wie eine zu weite Stelle. Bei letzterer werden spezielle Silikonschlingen verankert. Bei einer mangelnden Kontrolle des Schließmuskels gibt es mittlerweile sog, Blasenschrittmacher. Diese Elektroden geben kontrolliert elektrische Stöße an die Muskulatur ab und beruhigen diese so. Viele Formen der Blasenschwäche lassen sich aber problemlos ohne Eingriff therapieren.

Welche Rolle spielt Beckenbodentraining?

Insbesondere bei der Belastungsinkontinenz können mit Beckenbodentraining gute Erfolge erzielt werden. Unter Anleitung eines Physiotherapeuten lernt der Patient, den Beckenboden einerseits zu entlasten und andererseits zu kräftigen.

Welche weiteren Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

  • Toilettentraining: Ein zu häufiger Harndrang liegt bisweilen auch an einer falschen Trinkmenge oder einer zu aktiven Blase. Unter ärztlicher Anleitung kann zu Hause mit festen Toilettenzeiten und sinnvollen Trinkmengen versucht werden, das Harnverhalten zu normalisieren.
  • Hormongabe: Bei einem Östrogenmangel kann das Hormon von außen substituiert werden.
  • Arzneimittel: Vor allem Medikamente mit krampflösender Wirkung auf den Blasenmuskel haben sich hierbei bewährt.
  • Katheter: Dieser kann nötig werden, wenn im Rahmen einer Reflexinkontinenz eine regelmäßige Blasenentleerung nötig ist.
  • Elektrotherapie: Leichte Stromstöße trainieren hier die Beckenmuskulatur und kräftigen diese langfristig.

Was tun bei einer psychischen bzw. psychosomatischen Form?

Stehen Angststörungen, Depressionen oder Aggressionen hinter dem dauernden Harndrang gilt dasselbe, wie bei organischen Ursachen. Mittels Psychotherapie kann der seelische Auslöser beseitigt werden. Dann bessert sich auch die Blasenschwäche meistens rasch.

Kann man einer Blasenschwäche vorbeugen?

Aufgrund der vielseitigen Ursachen ist es schwer, prophylaktische Maßnahmen auf den Punkt zu bringen. Grundsätzlich schützt eine ausgeglichene Lebensweise mit gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung vor einer Blasenschwäche. Vor allem Übergewicht sollte gemieden werden, da sich hieraus eine Reihe möglicher Auslöser für eine Blasenschwäche bilden kann (Druck auf Beckenboden und Blase, Diabetes mellitus, etc.). Wie bei so vielen Erkrankungen sollte auch übermäßiger Stress vermieden werden.

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