Gefährlicher Anstieg von Antibiotikaresistenzen bei der Behandlung von Geschlechtskrankheiten

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Sexuell übertragbare Krankheiten sind in ganz Europa seit einigen Jahren auf dem Vormarsch. Während für den Großteil viral verursachter Erkrankungen immer mehr neue, hochwirksame Medikamente zur Verfügung stehen, ist bei den bakteriellen Infektionen das Gegenteil der Fall. Lange Zeit gut behandelbar, stellen Resistenzen bakterieller Erreger Ärzte zunehmend vor ein Problem.

Anstieg an Infektionen mit Geschlechtskrankheiten

Die am häufigsten vorkommenden Geschlechtskrankheiten verzeichnen auch den größten Anstieg: Gonorrhoe, Syphilis und Infektionen mit Chlamydien sind Spitzenreiter bei den Neuinfektionen. Was genau die Gründe für diese Entwicklung sind, ist nicht ausreichend geklärt. Es wird aber vermutet, dass dabei mehrere Faktoren zusammenspielen – unter anderem auch die Verfügbarkeit sensitiverer Testmethoden und eine häufigere Diagnosestellung durch erhöhte Aufmerksamkeit unter Ärzten und Ärztinnen. Erkrankungen, die wenig Symptome verursachen oder als nicht so dramatisch empfunden werden, werden dagegen oft gar nicht oder mit – hinsichtlich ihrer Effektivität oftmals fragwürdigen – Hausmitteln behandelt. Die Infektion kann sich in diesem Fall ungehindert verbreiten, da auch symptomlose Infizierte über einen längeren Zeitraum Überträger sind.

Möglicherweise spielt es auch eine Rolle, dass für die Behandlung schwerwiegender viraler Infektionen lange Zeit kaum geeignete therapeutische Optionen und so gut wie keine medikamentöse Prävention zur Verfügung standen, während bakterielle Erkrankungen dank Antibiotikatherapie als gut behandelbar galten und immer noch gelten. In den Jahren bevor die antiretrovirale Kombinationstherapie zum Goldstandard der Behandlung von HIV-Infizierten wurde, stellte eine AIDS-Erkrankung das Bedrohungsszenario schlechthin dar, und die Safer Sex-Kampagnen zeigten Wirkung. Seitdem AIDS aber als gut behandelbare chronische Erkrankung gilt, sind diese grundlegenden Vorsichtsmaßnahmen, die auch vor anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützten, zum Teil wieder aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden.

Die Behandlung bakteriell verursachter Infektionen, wie es Gonorrhoe, Syphilis und Chlamydieninfektionen sind, erfolgt mit Antibiotika unterschiedlicher Substanzklassen. Eine Chlamydiose lässt sich nach wie vor mit Präparaten aus der Gruppe der Makrolide, Tetrazykline oder der neueren Chinolone in den Griff bekommen. Gonorrhoe spricht gut auf Cephalospirine oder Fluorchinolone an, Syphilis wird nach wie vor äußerst effektiv mit Penicillin behandelt.

Das war nicht immer so. Alle diese Krankheiten hatten vor der Entdeckung des Penicillins (durch Alexander Fleming im Jahr 1928) beziehungsweise seiner antibakteriellen Nachfolgepräparate schwerwiegende, mitunter tödliche Konsequenzen. So war die Syphilis früher das, was in den 1980er Jahren AIDS war – ein todbringendes Schreckgespenst, gegen das es kaum Abwehrmittel gab – es sei denn, man verzichtete gänzlich auf sexuelle Kontakte.

Immer mehr Bakterienstämme sind gegen Antibiotika resistent

Heute stehen wir trotz an sich wirksamer Behandlungsmethoden vor dem Problem, dass viele Bakterienstämme Resistenzen gegen ausgerechnet jene Antibiotika, mit denen sie wirksam bekämpft werden können, ausbilden. Das betrifft ganz besonders die volkstümlich auch als Tripper bezeichnete Gonorrhoe. Deren Erreger, Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken), hat die mit Abstand höchste Resistenzrate unter den sexuell übertragbaren Krankheiten entwickelt.

Es sind bereits Stämme bekannt, die mit den derzeit verfügbaren Antibiotika nicht behandelt werden können. Anders bei der ehemals so gefürchteten Syphilis, die immer noch sehr gut mit Antibiotika aus dem Penicillin-Spektrum behandelt werden kann: der Erreger, Treponema pallidum, hat bisher keine bekannten Resistenzen entwickelt. Die ansteigende Verbreitung ist dennoch ein Problem: so sind etwa Menschen, die gegen Penicilline allergisch sind, auf Ersatzantibiotika angewiesen, die unter Umständen weniger wirksam oder verträglich sind und bei denen eine Resistenzbildung wahrscheinlicher ist.

Was Antibiotikaresistenzen betrifft, ist die Situation in der Schweiz aktuell noch vorbildhaft. Derzeit sind alle bakteriell verursachten Geschlechtskrankheiten mit den gängigen Präparaten behandelbar, und es stehen auch ausreichend wirksame Alternativen zur Verfügung. Jedoch warnt die WHO eindringlich vor zu häufiger oder fehlerhafter Anwendung antibiotischer Arzneimittel.

Weltweit sind Resistenzen auf dem Vormarsch. Die Verbreitung multiresistenter Bakterienstämme, die auch mit Reserveantibiotika nicht mehr in den Griff zu bekommen sind, ist vor allem in Spitälern zu einer großen Herausforderung geworden.

Falsche Antibiotikaeinnahme fördert die Resistenzbildung

Häufigste Ursache für die vermehrte Resistenzbildung ist eine falsche – zu kurze – Einnahme verschriebener Antibiotika. Durch die schnelle Wirksamkeit – Beschwerden verringern sich oft schon nach wenigen Stunden – wird die Einnahmedauer nicht selten um die Hälfte verkürzt. Die Folge davon ist, dass ein zu großer Anteil der Erreger überlebt, Resistenzen ausbildet und sich diese resistenten Erreger weiter verbreiten können.

Auch die eher sorglose Verschreibungspraxis mancher Ärzte und Ärztinnen wird von der WHO in diesem Zusammenhang kritisiert. So werden Antibiotika häufig auch bei grippalen Infekten, gegen die sie wirkungslos sind, “vorsorglich” verschrieben. Dies ist aber nur bei besonders gefährdeten Patientengruppen, bei denen die Gefahr einer bakteriellen Superinfektion besteht, sinnvoll. Breitbandantibiotika, die gegen viele verschiedene Bakterienstämme wirksam sind, stellen eine weitere Gefahrenquelle für Resistenzbildungen dar und sollten daher ebenfalls nur bei klarer Indikation verordnet werden.

Zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten sind vor allem zwei Dinge wichtig: Information über die Übertragungswege und die Beachtung der aktuellen Safer Sex-Regeln. In der Schweiz ist die Informationslage über die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten aufgrund der herrschenden Meldepflicht für Gonorrhoe, Syphilis und Chlamydieninfektionen sehr gut. Entsprechend kann auf einen Anstieg reagiert werden, indem Kampagnen wie die Love-Life-Kampagne des Bundesamts für Gesundheit 2011 in Erinnerung gerufen werden. Diese stellt im Prinzip eine Erweiterung der klassischen Safer Sex-Regeln dar.

Zusätzlich zur konsequenten Verwendung von Kondomen und der Vermeidung von Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wurde eine weitere Regel formuliert: Brennen, Ausfluss und Juckreiz im Genitalbereich sollen unverzüglich ärztlich behandelt werden. Damit kann auch die rechtzeitige Mitbehandlung symptomloser Partner erreicht und eine weitere Ausbreitung somit verhindert werden.

Quellen: