auch: Heilkunde;

Definition

Medizin im engeren Sinne ist die Wissenschaft von der Wiederherstellung der Gesundheit, im weiteren Sinne ist sie die Lehre vom Bau (Anatomie), von den Funktionen (Physiologie) und Erkrankungen (Pathologie) des Menschen (auch der Tiere = Veterinär- oder Tiermedizin), ferner von deren Bekämpfung (Therapie) und Vorbeugung (Prophylaxe).

Die Medizin basiert auf den modernen Naturwissenschaften (Biologie, Chemie, Physik), umfasst aber auch psychologische und soziologische Aspekte.

Teilgebiete

Die theoretische Medizin lässt sich unterteilen in Anatomie und Histologie, physiologische Chemie, Bakteriologie und Pathologie. Mit der Anwendung von Heilmitteln befasst sich die Pharmakologie (im Gegensatz zur Pharmazie, die sich mit deren Herstellung beschäftigt), mit der Wirkung von Giften die Toxikologie.

Die "angewandte" Medizin ist in eine ständig wachsende Zahl von Teilgebieten gegliedert. Die so genannte Schulmedizin hat einen solchen Umfang angenommen, dass sie in zahlreiche Spezialfächer aufgegliedert wurde, die von Fachärzten ausgeübt werden. Unter die angewandte Medizin fallen die Bereiche Hygiene, Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie (Frauenheilkunde) und Geburtshilfe, Pädiatrie (Kinderheilkunde), Psychiatrie und Neurologie, Hals-, Nasen und Ohrenheilkunde (HNO), Orthopädie, Diätetik (Ernährungskunde), Urologie, Ophthalmologie (Augenheilkunde), Dermatologie (Haut- und Geschlechtskrankheiten), Zahnmedizin, Epidemiologie (Seuchenheilkunde), Gerichtsmedizin, Arbeits- und Sozialmedizin, Geriatrie (Alterskrankheiten), Sportmedizin.

Eigenständige Gebiete sind die Naturheilkunde und die Homöopathie, die der Schulmedizin teilweise entgegen stehen.

Geschichte

Antike und Mittelalter

Für die Medizin früher Hochkulturen war das Nebeneinander einer empirisch-rational ausgerichteten Wundchirurgie und einer vorwiegend von religiös-magischen Vorstellungen bestimmten innere Medizin kennzeichnend. Auf äußeren Einwirkungen beruhende Wunden und Verletzungen wurden als natürliches Geschehen begriffen und in der Regel mit einfachen chirurgischen Maßnahmen und pflanzlichen Arzneistoffen ärztlich versorgt. Innere Erkrankungen, deren Entstehung sich dem Erkennen (Diagnose) entzog, galten als von übernatürlichen Mächten verhängte Strafen für menschliches Vergehen und wurden demzufolge vorzugsweise mit Gebeten, Besprechungen und anderen magischen Praktiken behandelt. Auf dem Gebiet der Chirurgie war die indische Medizin am fortschrittlichsten, komplizierte chirurgische Eingriffe sind schon für das 4. Jh. n.Chr. bezeugt. In China spielte die Akupunktur als therapeutisches Mittel eine große Rolle.

In Griechenland entstand im 5. Jh. v.Chr. eine Medizin, die unter dem Einfluss der griechischen Naturphilosophie darum bemüht war, die vorhandenen empirischen Kenntnisse auf eine theoretisch-wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Der bedeutendste unter den Vertretern dieser Medizin, die prinzipiell natürliche Ursachen für die gesunden und krankhaften Vorgänge im Körper verantwortlich machte und Krankheiten mit rationalen Mitteln behandelte, war Hippokrates von Kos. Er trug durch seine Beobachtungen und Beschreibungen von Krankheiten wesentlich zu einer Befreiung von Aberglauben und Scharlatanerie bei und gilt als Ahnherr der Medizin. Zu den Leistungen der griechischen Ärzte, die – zum Teil auf dem Umweg über die arabische Überlieferung – bis in die Neuzeit hinein in der medizinischen Tradition lebendig geblieben sind, gehört z.B. das Werk "Über Arzneistoffe", das der Arzt Dioskurides von Anazarba im 1. Jh. n.Chr. verfasst hat, außerdem das umfangreiche Schrifttum des Arztes Galen von Pergamon, der im 2. Jh. n.Chr. das medizinische Wissen der Antike kritisch zusammengefasst und um die Ergebnisse eigener Forschungen vor allem auf den Gebieten der Anatomie, Physiologie, Nosologie und Pharmakologie bereichert hat. Vor allem seine anatomischen Untersuchungen führten zu wichtigen Erkenntnissen über den Bau des Körpers.

Seit dem Ende des 6. Jh.s v.Chr. bis zum Ausgang der Antike gab es in Griechenland neben der profanen Medizin eine mit der religiösen Sphäre verbundene Heilkunde, die an den Kultstätten des Heilgottes Asklepios von dessen Priestern praktiziert wurde. Sein Symbol, der Äskulapstab, ist bis heute das Zeichen des ärztlichen Standes.

Im frühen Mittelalter waren es vor allem die Klöster, an denen die Mönche in bescheidenem Umfang medizinische Kenntnisse vermittelten und Medizin praktizierten. Anfang des 11. Jh.s wurde in Salerno die erste Medizinschule des Abendlandes gegründet, an der auf der Grundlage antiker und arabisch-islamischer medizinischer Texte praxisorientierter Unterricht erteilt wurde. Im 12. und 13. Jh. wurden die Universitäten von Bologna, Padua und Montpellier zu führenden medizinischen Ausbildungsstätten.

Frühe Neuzeit

Am Beginn der modernen Anatomie steht das Werk "Über den Bau des menschlichen Körpers" (1543) von Andreas Vesalius, der an Hand von Sektionen menschlicher Leichen die durch Tiersektionen bedingten Fehler in der Anatomie Galens korrigieren konnte. Der Arzt und Naturforscher Paracelsus entwickelte Anfang des 16. Jh.s die Lehre von den Arzneistoffen und fand neue chemische Heilmittel.

Die Benutzung des Mikroskops und die dadurch erzielten Fortschritte in der Anatomie waren eine wesentliche Voraussetzung für die Entdeckung des Blutkreislaufs durch W. Harvey (1628), für die Entdeckung der Lymphgefäße durch G. Aselli (1627), für den Nachweis der kapillaren Blutbewegung und die Entdeckung der Blutkörperchen durch M. Malpighi (1661; 1665) und schließlich für die erste Beschreibung von Bakterien durch A. van Leeuwenhoek (um 1675).

In der medizinischen Forschung des 17. Jh.s gab es zwei rivalisierende theoretisch-spekulative Richtungen: die Iatrophysiker (Santorio Santorio, R. Descartes, G.A. Borelli), die den Körper als Maschine verstanden, und die Iatrochemiker (J.B. van Helmont, F. Sylvius), die, ähnlich wie schon zu Beginn des 16. Jh.s Paracelsus, das Leben als Abfolge chemischer Prozesse betrachteten. Für den englischen Arzt Thomas Sydenham (1624-1689) hingegen waren vor allem die Beobachtung am Krankenbett und die sorgfältige Beschreibung des Krankheitsverlaufs wichtig; er erzielte bei der Behandlung von Malaria mit Chinin entscheidende Fortschritte (1632).

Mit seinem 1761 publizierten Werk "Über den Sitz und die Ursache der Krankheiten" hat G.B. Morgagni die Organpathologie begründet. Ende des 18. Jh.s stellte S. Hahnemann den therapeutischen Grundsatz "Gleiches durch Gleiches" auf und führte damit die Homöopathie als neues Therapiekonzept in die Medizin ein.

19. Jahrhundert

Entdeckungen in den Naturwissenschaften und der Technik führten im 19. Jh. zu verbesserten Methoden in Diagnostik, Therapie und Chirurgie. Noch heute ist das 1819 in einer Publikation von R.Th.H. Laënnec vorgestellte Stethoskop ein wichtiges Instrument für die ärztliche Praxis.

R. Virchow erkannte, dass die Zelle der eigentliche Ort der Erkrankung ist, und wurde so zum Begründer der Zellularpathologie. Der ungarische Arzt I.P. Semmelweis entwickelte erfolgreich antiseptische Maßnahmen gegen das Kindbettfieber.

L. Pasteur und R. Koch, die Pioniere der Bakteriologie, und ihre Schüler haben die Ätiologie vieler Infektionskrankheiten (Milzbrand, Tuberkulose, Tetanus) geklärt und deren kausale Behandlung ermöglicht. E. von Behring wandte erstmals die Serumtherapie zur Behandlung von Diphterie an. Die Einführung der Karbolsäure als Antiseptikum leitete das Zeitalter der keimfreien Chirurgie ein, die ihre Fortschritte ebenso auch der Einführung der Narkose und der Lokalanästhesie verdankt.

Fortschritte in Physik und Chemie brachten die Physiologie voran: J. von Liebig entwickelte neue chemische Analysemethoden, H. von Helmholtz erfand den Augenspiegel.

Die experimentelle Medizin wurde durch C. Bernard begründet, der vor allem den Stoffwechsel im menschlichen Körper erforschte. Ein weiterer Meilenstein war die gezielte Therapie der Infektionskrankheiten durch Chemotherapie und Heilseren durch P. Ehrlich. Neue Methoden sowohl für die Diagnostik wie für die Therapie ergaben sich durch die Entdeckung der X-Strahlen (W.C. Röntgen) und des Radiums (Pierre und Marie Curie). Sie leitete den Aufschwung der Strahlen- und Nuklear-Medizin ein, die ebenso wie die Auffindung der Bioelektrizität (EEG, EKG usw.) zu ganz neuen Einblicken in das Krankheitsgeschehen verhalf.

20. Jahrhundert

Im 20. Jh. gelang vor allem durch die Entdeckung des Penicillins (durch A. Fleming) und anderer Antibiotika die Eindämmung vieler Infektionskrankheiten; gegen Viruserkrankungen (Viren) konnten seit den 30er Jahren Impfungen durchgeführt werden. 1901 entdeckte K. Landsteiner die Blutgruppen des Menschen, 1940 den Rhesusfaktor. Neue Methoden zur Erforschung des Körperinneren wie Röntgendiagnostik, Computertomographie und Ultraschalldiagnostik ermöglichen seit der Mitte des 20. Jh.s eine genauere Diagnose innerer Krankheiten und Verletzungen.

Bahnbrechende Entdeckungen erfolgten auf dem Gebiet der Genetik (1953 Strukturmodell der DNA von F.H.C. Crick und J.D. Watson), der Chirurgie (Transplantationen), der Gehirn- und Nerven-Funktionen (Behandlung von Epilepsie und Parkinson) und des Immunsystems.

Einen großen Fortschritt in der Empfängnisverhütung bedeutete die Entwicklung der Pille (1960). Seit den 70er Jahren ist die künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) möglich.

Zunehmend in den Vordergrund gerückt sind in den letzten Jahren die Behandlung von Herz- und Kreislauf-Erkrankungen (Herzschrittmacher, Bypass-Operation) und die Krebs-Forschung (Chemotherapie). Die Bekämpfung von Infektionskrankheiten, deren Auftreten schon weitgehend eingedämmt war, hat wieder an Bedeutung gewonnen. Die Entstehung immer neuer Erreger (Aids) erfordert die Entwicklung neuer Wirkstoffe und Behandlungsmethoden.