Das Autogene Training ist die beliebteste Entspannungsmethode im deutschsprachigen Raum. In einem selbst herbeigeführten hypnoseähnlichen Zustand erreichen Übende allein durch ihre Vorstellungskraft eine tiefe körperliche Entspannung – mit messbarem Erfolg. Auch andere Entspannungstechniken wie Zen oder Yoga haben ähnliche Effekte. Im Vergleich dazu ist das Autogene Training jedoch unabhängig von kulturellen, weltanschaulichen oder spirituellen Hintergründen und sehr leicht zu erlernen.

Das Grundprinzip: Entspannung durch reine Vorstellungskraft

Das Autogene Training wurde in den 1920er Jahren von dem Psychiater Johannes Heinrich Schultz entwickelt. Auch wenn es seitdem oft verändert wurde, sind die Grundannahmen die gleichen geblieben: Beim Autogenen Training (autogen = griech./lat. “selbsterzeugt“) soll der Körper allein durch die Vorstellungskraft in einen tiefen Entspannungszustand versetzt werden. Muskelverspannungen werden durch reine Konzentration gelöst, die Durchblutung gefördert und Puls und Atem beruhigt.

Durch die Methode der Autosuggestion ist es beim Autogenen Training möglich, vegetative Funktionen des Körpers wie Puls und Durchblutung zu kontrollieren, die eigentlich bewusst nicht zu beeinflussen sind. Unter Autosuggestion versteht man dabei eine Art Selbsthypnose: Der Übende versetzt sich in eine sogenannte passive Konzentration auf den eigenen Körper, wiederholt bestimmte mantrahafte Formeln und stellt sich dabei einfach vor, dass sein Körper entspannt ist. Dieser hypnoseartige Zustand bewirkt eine tatsächliche Beruhigung der Körperfunktionen.

Gute Erfolge bei psychischen und psychosomatischen Beschwerden

Die positive Wirkung des Autogenen Trainings wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien bestätigt. Die Durchblutung etwa wird durch das Training messbar verbessert. Die tiefe körperliche Entspannung kann vor allem bei psychischen und psychosomatischen Leiden zur Linderung beitragen. Denn genauso wie emotionale Erregungen zu Körperreaktionen führen, hat die körperliche Beruhigung einen heilsamen Effekt auf die Psyche. Autogenes Training wird deshalb erfolgreich eingesetzt bei seelischen Störungen wie Ängsten, Konzentrationsschwäche, Burnout, Schlafstörungen oder Unruhe sowie bei psychosomatisch bedingten Symptomen wie Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden oder Tinnitus.

Trotz der guten Erfolge ist das Autogene Training bei vielen Erkrankungen nicht als alleinige Therapie geeignet. Bei anhaltenden Beschwerden sollte immer ein Arzt aufgesucht werden. Die Konzentration auf den eigenen Körper kann zudem bei psychischen Erkrankungen wie starken Depressionen oder Psychosen gefährlich und kontraproduktiv sein. Auch Asthmatiker oder Menschen mit Herzrhythmusstörungen können beim Autogenen Training eher ängstlich reagieren, weil sie zu stark mit ihrem Leiden konfrontiert werden.

Autogenes Training lernen

Beim Autogenen Training wird in der Regel zwischen einer Unter- und einer Oberstufe unterschieden. Wer eine Entspannungsmethode erlernen möchte, kann sich rein an die Unterstufe halten, in der es um die körperliche Entspannung und die Beeinflussung des eigenen Verhaltens geht. Die Oberstufe ist eine Art psychoanalytische Arbeit mit sich selbst, die zum Erlernen der Entspannungstechnik nicht nötig ist.

Das Autogene Training der Unterstufe beruht auf simplen Übungseinheiten und kann deshalb auch mit Büchern oder CDs selbst erlernt werden. Erfolgreicher und einfacher ist es in der Regel jedoch, einen Kurs zu besuchen. Krankenkassen und Volkshochschulen bieten Gruppenkurse bei speziell ausgebildeten Psychotherapeuten, Ärzten oder Heilpraktikern an, in denen man das Autogene Training in circa sechs Wochen begleitet erlernen kann. Um einen Trainingserfolg zu erreichen, sollte man mindestens einmal täglich üben.

Die Haltung: Sitzen, Liegen und der Droschkenkutscher

Die Übungen des Autogenen Trainings können in verschiedenen Haltungen ausgeführt werden. Klassisch ist die sogenannte Droschkenkutscherhaltung: Man setzt sich auf einen Stuhl, beugt sich leicht nach vorne, stützt sich mit den Unterarmen auf die Oberschenkel und lässt den Kopf leicht nach unten hängen. Genauso gut kann man sich aber auch angelehnt auf einen Stuhl setzen und die Arme auf die Oberschenkel oder Armlehnen legen. Auch auf dem Rücken liegen ist erlaubt. Wichtig ist nur, dass Sie bequem sitzen oder liegen, so dass Sie sich während der Übungen möglichst nicht bewegen müssen. Die Augen bleiben geschlossen.

Ablenkungen vermeiden

Während des Trainings sollten Sie in einen Zustand der passiven Konzentration gelangen, in dem Sie entspannt, aber aufmerksam sind. Am Anfang ist es daher wichtig, mögliche Ablenkungen durch Geräusche oder Gerüche zu vermeiden. Achten Sie auch darauf, nicht zu grellem Licht ausgesetzt zu sein.

Die Übungen: Schwere, Wärme, Herz, Atem, Bauch und Stirn

Die Übungen der Unterstufe bestehen aus sechs Einheiten, in denen man sich jeweils einen kurzen Satz mehrmals (ca. 4-8 Mal) gedanklich vorsagt und sich das Gedachte am eigenen Körper vorstellt.

Vor jeder Einheit steht der Satz: „Ich bin ganz ruhig“.

  • Schwere-Übung: „Mein rechter/linker Arm ist schwer“. Bei dieser Übung geht es um die Entspannung der Muskeln, denn schwere Muskeln sind entspannte Muskeln. Die Konzentration liegt dabei wie bei der Wärme-Übung nur auf dem rechten (Rechtshänder) oder linken (Linkshänder) Arm. Durch die sogenannte Generalisierung überträgt sich die Entspannung automatisch auf den Rest des Körpers.
  • Wärme-Übung: „Mein rechter/linker Arm ist warm“. Bei dieser Übung geht es um die Durchblutung, denn Wärme ist ein Zeichen von gut durchbluteten Gefäßen.
  • Herz-Übung: „Mein Herz schlägt ruhig und regelmäßig“.
  • Atem-Übung: „Meine Atmung ist ruhig und gleichmäßig“ oder „Es atmet mich“.
  • Bauch-Übung: „Mein Sonnengeflecht ist strömend warm“. Das Sonnengeflecht bzw. der Solarplexus ist ein Nervenknotenpunkt hinter dem Magen, der Funktionen der inneren Organe wie Magen und Darm reguliert. Die Übung dient somit der Beruhigung der Organfunktionen.
  • Stirn-Übung: „Meine Stirn ist angenehm kühl“. Ein kühler (nicht kalter!) Kopf wird als angenehm und entspannend empfunden.

Anfänger beginnen zunächst nur mit der Schwere-Übung und nehmen die anderen Übungen erst nach und nach dazu. Die Anzahl der Wiederholungen, die man für eine Übung braucht, bis sich der gewünschte Effekt einstellt, werden dabei langsam weniger, weil man den Körper allmählich auf die Übungssätze konditioniert.

Das Zurücknehmen

Nach jedem Training muss der tranceartige Zustand durch das sogenannte „Zurücknehmen“ wieder aufgehoben werden: Dazu atmet man tief ein, spannt die Muskeln fest an, streckt sich mit ruckartigen Bewegungen und öffnet dann die Augen. Üben Sie vor dem Einschlafen im Bett, sollten Sie das Zurücknehmen weglassen.

Verhaltensbeeinflussung durch individuelle Formeln

Nach dem Erlernen der Entspannungs-Übungen können dem Trainingsablauf individuelle Formeln hinzugefügt werden, die das eigene Verhalten beeinflussen sollen. Eine solche Formel könnte – etwa für jemanden, der das Rauchen aufhört – heißen: „Ich bleibe rauchfrei.“ Wichtig ist, dass Sie die Formeln kurz, prägnant und positiv formulieren. Verneinungen („Ich werde nicht rauchen.“) und Wörter des Zwangs („Ich darf nicht rauchen.“) dürfen nicht vorkommen.