Schlafapnoe: Kieferschiene mögliche Alternative zu CPAP

AUS: MEDIZIN-LEXIKON.DE

Zahnspange mit Flexeinheit

Etwa fünf Prozent der Männer und rund drei Prozent der Frauen leiden an Schlafapnoe. Besonders wirksam ist dabei die Zufuhr von Frischluft, die den Patienten über eine Schlafmaske zugeführt wird. Ein leichter Überdruck hält die Atemwege offen. Diese Therapie heißt CPAP (continuous positive airway pressure). Doch in leichten oder mittelschweren Fällen gilt: Eine Kieferschiene stellt eine mögliche Alternative zur CPAP-Beatmung dar.

Im Schlaf verschließen sich bei Schlafapnoe die oberen Atemwege (Bildquelle: SomnoMed)

Kieferschiene wirkt ähnlich wie CPAP

Die Kieferschiene hat einen ähnlichen Effekt wie die CPAP-Beatmung . Sie erweitert und stabilisiert die oberen Atemwege. „Diese fallen bei Schlafapnoe-Patienten zusammen und verhindern eine normale Atmung“, so Dr. med. dent. Huong Cuc Nguy, Zahnärztin in Koblenz und Expertin für Schlafapnoe.

Die leichte Vorverlagerung des Unterkiefers erzeugt eine Spannung in der Mundbodenmuskulatur. Die Atemwege werden offen gehalten, sodass Atemaussetzer gezielt vermieden werden. Weil die Schiene den Unterkiefer ganz leicht nach vorne zieht, heißt sie in der medizinischen Fachsprache „Unterkiefer-Protrusions-Schiene“. „Protrusion“ bedeutet „Hervortreten“.

Für leichte und mittelschwere Fälle geeignet

Viele Betroffene wünschen sich eine Alternative zur CPAP-Beatmung. „Die Behandlung ist zwar effektiv, jedoch mit einigen Belastungen verbunden“, so Nguy. „Die Patienten müssen ständig mit einer Maske vor dem Gesicht schlafen.“ Bei schweren Formen ist diese Therapie oft alternativlos. Leichte und mittelschwere Formen sprechen jedoch gut auf eine Therapie mit der Kieferschiene an.

Grundsätzlich geeignet ist sie bei Patienten, bei denen folgende Kriterien zutreffen:

  • AHI von ≤ 30/h (AHI = Apnoe-Hypopnoe-Index: Die Anzahl an Atemaussetzern pro Stunde)
  • BMI bis 30 kg/m2
  • Lageabhängige Schlafapnoe

„Da Patienten mit Schlafapnoe häufig schnarchen, ist ein sehr positiver Nebeneffekt, dass die Schiene dies deutlich reduziert“, so Vida Andreevska von SomnoMed, einem Hersteller der Unterkiefer-Protrusions-Schiene.

CPAP mit einigen Nebeneffekten

Die CPAP-Therapie ist zweifellos effektiv. Jedoch klagen Nutzer häufig über Nebenwirkungen bzw. Unannehmlichkeiten.

Nebenwirkungen einer CPAP-Beatmung

Besonders häufig berichten Patienten über folgende Nebenwirkungen:

Auch die Maske selbst stört viele Betroffene beim Schlafen.  

Therapie mittels CPAP-Beatmung (Bildquelle: SomnoMed)

„Schiene wird gut toleriert“

„Das Tragen einer Unterkiefer-Protrusions-Schiene wird oft besser toleriert und als angenehmer empfunden“, berichtet Huong Cuc Nguy, die viele Schlafapnoe-Patienten behandelt. „Bislang war die Erkrankung eine Domäne der HNO-Heilkunde und der Pneumologie. Durch die Kieferschiene gewinnt die Zahnmedizin an Bedeutung.“

Weitere Vorteile der Kieferschiene:

  • Man ist nicht auf Strom angewiesen und somit flexibler, z. B. auf Reisen
  • Es fehlt die unvermeidbare Geräuschkulisse, die eine CPAP-Beatmung erzeugt

Kieferschiene kann CPAP ersetzen

Bei vielen Patienten gilt: Eine Kieferschiene kann die CPAP-Beatmung ersetzen. Es zeigen sich vergleichbare Erfolge und eine Erhöhung der Lebensqualität. „Studien zeigen, dass die Behandlung sowohl die Tagesmüdigkeit als auch nächtliche Blutdruckspitzen effektiv verringert“, so Vida Andreevska. Aus diesem Grund ist die Kieferschiene eine mögliche Alternative zur CPAP-Beatmung ersetzen, sofern die Patienten dafür geeignet sind und auf die Behandlung ansprechen.

Kieferschiene eröffnet obere Atemwege (Bildquelle: SomnoMed)

Kieferschiene wird teilweise Kassenleistung

Schwierig war bisher die Übernahme durch die Krankenkassen. „Gerade die gesetzlichen Versicherungen übernehmen die Behandlung häufig nicht“, so Nguy. Das gilt insbesondere dann, wenn die CPAP-Beatmung eigentlich vertragen wird. In Einzelfällen ist es hilfreich, wenn ein schlafmedizinisch tätiger Allgemeinmediziner die Verordnung schreibt. „Hier entscheiden die Krankenkassen oft im Einzelfall und eine Zuzahlung der Krankenkasse ist durchaus erreichbar“, ergänzt Andreevska.

Private Krankenkassen häufig kulanter

Insgesamt sind private Krankenkassen kulanter. Je nach Tarif variiert jedoch der Eigenanteil. In ihrer täglichen Praxis erlebt Huong Cuc Nguy hier aber keinen Widerstand: „Alle meine Privatpatienten akzeptieren diesen Umstand, denn die Vorteile der Kieferschiene überwiegen.“ Aber auch gesetzlich Versicherte dürfen aufatmen.  

GKV erkennt Kieferschiene als Alternative für CPAP teilweise an

Wie nun bekannt wurde, wird die Therapie mit der Unterkiefer-Protrusions-Schiene Teil der vertragszahnärztlichen Versorgung. Mit sehr positiven Auswirkungen. In einem Bericht des Deutschen Ärzteblatts von 20.11.2020 heißt es: „Führt die Überdrucktherapie nicht zum Behandlungserfolg, ist zukünftig auch die Unterkiefer-Protrusion-Schiene zulasten der GKV einsetzbar.“ Die Bedeutung der Kieferschiene als Alternative der CPAP-Beatmung steigt also.

Quellen

  • Experteninterview: Dr. med. dent. Huong Cuc Hguy, Zahnarztpraxis Nguy, Koblenz
  • Experteninterview: Vida Andreevska, SomnoMed Germany GmbH
  • Holzinger B, Kölsch G. Schlafstörungen: Psychologische Beratung und Schlafcoaching. Springer-Verlag, Berlin, 2018
  • Wang T, Huang W, Zong H, Zhang Y. The Efficacy of Continuous Positive Airway Pressure Therapy on Nocturia in Patients With Obstructive Sleep Apnea: A Systematic Review and Meta-Analysis. Int Neurourol J. 2015 Sep; 19(3): 178–184.
  • Bratton DJ, Gaisl T, Wons AM, Kohler M. CPAP vs Mandibular Advancement Devices and Blood Pressure in Patients With Obstructive Sleep Apnea: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA. 2015 Dec 1;314(21):2280-93.
  • White DP, Shafazand S. Mandibular Advancement Device vs CPAP in the Treatment of Obstructive Sleep Apnea: Are they Equally Effective in Short Term Health Outcomes? J Clin Sleep Med. 2013 Sep; 9(9): 971–972.
  • Unterkiefer-Protrusionsschiene gegen Atemaussetzer wird Kassenleistung. Deutsches Ärzteblatt, Veröffentlichungsdatum: 20.11.2020, Abrufdatum: 21.11.2020