Fluoridprophylaxe – Sinnvoll, aber keine Wunderwaffe

AUS: MEDIZIN-LEXIKON.DE

Viele von uns erinnern sich an die kleinen runden Tabletten, die ihren festen Platz auf dem kindlichen Nachttisch hatten. Sie gehörten zum Tagesplan – wie Frühstück, Mittagessen und das Zähneputzen. Denn eben Letztgenanntes scheint im Kindesalter nicht auszureichen, um den Kauapparat ausreichend vor Karies zu schützen. Dass eine Fluoridprophylaxe wirksam und sinnvoll ist, gilt als unbestritten. Neuere Forschungen zeigen aber Schwächen der fast als Wundermittel glorifizierten Behandlungsmethode auf.

Wirkung sehr oberflächlich

Die Fluoridprophylaxe bietet eine ganze Reihe schützender Effekte für die Zähne. Hauptwirkung ist eine Verhärtung der äußeren Zahnsubstanz – die oberste Schicht des Zahnschmelzes. Eine regelmäßige Fluoridbehandlung sorgt demnach dafür, dass die jungen Zähne wesentlich schwieriger von Bakterien infiltriert werden können. Dieser Effekt ist unbestritten, allerdings scheint die Wirkung auf den Zahnschmelz viel oberflächlicher zu sein als bislang vermutet und erhofft. Ein Wissenschaftsteam der Universität des Saarlandes um Frank Müller konnte experimentell nachweisen, dass die durch die Prophylaxe entstehende Fluoridschicht etwa 100-mal dünner ist als bisherige Studien dies vermuten ließen.

Im Umkehrschluss bedeutet es, dass auch der Kariesschutz entsprechend geringer ausfällt. Grundsätzliche Zweifel an der prophylaktischen Wirkung von Fluorid melden die saarländischen Wissenschaftler aber nicht an. Möglich sei, dass eine Fluoridprophylaxe noch weitere biochemische Prozesse am Zahngewebe in Gang bringe, die ihrerseits wieder vor Karies schützen. Diesbezüglich sind weitere Forschungen geplant.

Fluorid: Trotzdem ein Multitalent

Dass Fluorid keine Wunderwaffe gegen Karies ist, sollte auch der hartnäckigste Zahnmediziner hinnehmen. Nichtsdestotrotz: Die – übrigens zu den Salzen der Fluorwasserstoffsäure gehörenden – Fluoride haben einige durchaus auch sehr positive Eigenschaften auf die Zahnentwicklung, gerade im Alter zwischen drei und sechs Jahren. Auch in den ersten beiden Lebensjahren beginnt die günstige Wirkung der Spurenelemente: Fluoridmoleküle lagern sich während der Zahnentwicklung in den noch unreifen Zahnschmelz ein und sorgen für die Bildung wesentlich widerstandsfähigerer Schmelzkristalle. Die später erfolgende Anlagerung auf die fertigen Zähne fällt – wie oben erwähnt – geringer aus als vermutet.

Dennoch: Ein gewisser Kariesschutz wird auch hierbei erlangt. Auch die Regeneration bereits beschädigter Zahnstrukturen wird durch die Fluoridprophylaxe verbessert, da die Fluoride die Remineralisierung von Zahnschmelz fördern. Ein günstiger Nebeneffekt ist außerdem der hemmende Effekt auf Bakterien und deren Säureproduktion in der Mundhöhle. Eine angemessene Mundhygiene kann Fluorid freilich nicht ersetzen, vielmehr ist die Kombination aus regelmäßigem Zähneputzen und einer ausreichenden Aufnahme des Spurenelements wichtig. „Tägliches Zähneputzen mit fluoridhaltiger Kinderzahnpaste verbindet das Mundhygienetraining mit der Fluoridapplikation“, heißt es beispielsweise von Seiten der Deutschen Gesellschaft für Zahn- Mund- und Kieferheilkunde.

Fluoridbedarf individuell ermitteln

So hilfreich eine Fluoridprophylaxe auch sein mag – eine Überdosierung kann gerade im Kleinkindesalter sehr schädlich sein. Der durchschnittliche Bedarf liegt bei etwa 0,05 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Wichtige Fluoridquellen sind:

  • Mineralwasser
  • Leitungswasser (in vielen Regionen Deutschlands aber sehr fluoridarm)
  • Fluoridiertes Speisesalz
  • Nüsse
  • Meeresfrüchte
  • Tee
  • Sojaprodukte

Je nach Ernährung des Säuglings bzw. Kleinkinds bedarf es einer zusätzlichen Fluoridquelle, wie sie eben in Tabletten und speziellen Zahnpasta-Sorten zu finden ist. Eine Überdosierung hingegen kann zu ernsthaften Gesundheitsproblemen führen: Erste Anzeichen dafür bei Kindern ist die Bildung hell-weißer Flecken auf den Zähnen. Im weiteren Verlauf kommt es zu akuten Vergiftungserscheinungen, wie Blässe, Durchfall, Erbrechen und Bauchweh. Riskant sind die ebenfalls auftretenden Herzrhythmus- und Blutgerinnungsstörungen. Hierzu müssen allerdings schon sehr großen Mengen an Fluorid aufgenommen werden.