Die Ableitung bezeichnet in der Medizin das Anbringen von Elektroden zur Messung elektrischer Potenziale des Herzens oder anderer biologischer Signale. Besonders in der Kardiologie spielt die Ableitung eine zentrale Rolle bei der Diagnostik von Herzrhythmusstörungen und anderen kardiovaskulären Erkrankungen.
Die Ableitungen ermöglichen es, elektrische Aktivitäten des Herzens aus verschiedenen Winkeln zu erfassen, wodurch eine detaillierte Analyse möglich wird. Die aufgezeichneten Daten helfen Ärzten, Herzinfarkte, Arrhythmien und andere kardiovaskuläre Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.
Arten der Ableitung beim EKG
Beim Elektrokardiogramm (EKG) werden verschiedene Ableitungen genutzt, um elektrische Signale des Herzens aus unterschiedlichen Perspektiven zu erfassen. Die wichtigsten sind:
Einthoven-Ableitung (Bipolare Extremitätenableitungen)
Diese Ableitungen messen die Spannungsdifferenz zwischen zwei Elektroden, die an den Extremitäten angebracht sind:
- Ableitung I: Rechter Arm (-) zu linkem Arm (+)
- Ableitung II: Rechter Arm (-) zu linkem Bein (+)
- Ableitung III: Linker Arm (-) zu linkem Bein (+)
Diese Ableitungen bilden das sogenannte Einthoven-Dreieck, das eine grundlegende Einschätzung der Herzaktivität ermöglicht.
Goldberger-Ableitung (Unipolare Extremitätenableitungen)
Hierbei werden verstärkte Ableitungen von einer Extremität gegen ein Referenzpotenzial gemessen:
- aVR: Rechter Arm gegen Summenpotential von linkem Arm und linkem Bein
- aVL: Linker Arm gegen Summenpotential von rechtem Arm und linkem Bein
- aVF: Linkes Bein gegen Summenpotential von rechtem und linkem Arm
Brustwandableitungen (Wilson-Ableitungen)
Diese Ableitungen erfassen das elektrische Feld direkt über dem Herzen mit Elektroden auf der Brustwand:
- V1 – V6: Elektroden von der rechten bis zur linken Thoraxseite platziert, um spezifische Bereiche des Herzens zu analysieren
Die Brustwandableitungen sind besonders wichtig zur Beurteilung der Erregungsausbreitung im Ventrikelmyokard und können Veränderungen bei Ischämien oder Hypertrophien nachweisen.
Intrakardiale Ableitungen
In der invasiven Elektrophysiologie werden Elektroden direkt im Herzen platziert. Diese intrakardialen Ableitungen ermöglichen eine detaillierte Analyse der Herzrhythmusstörungen und sind essenziell für:
- Elektrophysiologische Untersuchungen (EPU)
- Ablationsverfahren zur Behandlung von Arrhythmien
- Implantation von Schrittmachern und Defibrillatoren
Diese Form der Ableitung bietet präzisere Daten als externe Ableitungen und wird häufig bei Patienten mit unklaren oder komplexen Rhythmusstörungen angewendet.
Bedeutung der Ableitung in der Diagnostik
Die richtige Wahl der Ableitung ist entscheidend für die Diagnose verschiedener kardiologischer Erkrankungen. Dazu gehören:
- Myokardinfarkt: Veränderungen in spezifischen Ableitungen deuten auf betroffene Koronararterien hin
- Arrhythmien: Extrasystolen, Vorhofflimmern oder AV-Blockaden lassen sich präzise detektieren
- Hypertrophie und Ischämie: Pathologische Ableitungsmuster liefern wichtige Hinweise
Neben der Kardiologie wird die Ableitung auch in anderen medizinischen Bereichen eingesetzt, etwa bei der Elektroenzephalographie (EEG) zur Untersuchung der Gehirnaktivität oder bei der Elektromyographie (EMG) zur Analyse der Muskelaktivität.
Die moderne Medizintechnik hat zudem tragbare EKG-Geräte entwickelt, die es Patienten ermöglichen, ihre Herzaktivität kontinuierlich zu überwachen und frühzeitig Anomalien zu erkennen.
Quellen
- Janeway, H.H. (2016): „Electrocardiography in Clinical Practice“. Elsevier.
- Katz, A.M. (2019): „Physiology of the Heart“. Lippincott Williams & Wilkins.
- Surawicz, B. et al. (2020): „Electrocardiography: The Evolving Paradigms“. Springer.