Die Adhäsion bezeichnet in der Medizin eine krankhafte Verklebung oder Verwachsung von Geweben und Organen, die normalerweise gegeneinander verschieblich sind. Häufig treten Adhäsionen nach operativen Eingriffen, Entzündungen oder Traumata auf. Sie können zu einer Vielzahl von Beschwerden führen und je nach Lokalisation erhebliche medizinische Folgen haben. Besonders im Bauchraum, kleinen Becken oder nach orthopädischen Eingriffen sind Adhäsionen ein häufiges postoperatives Problem.
Was ist eine Adhäsion?
Der Begriff Adhäsion stammt vom lateinischen „adhaerere“ (anhaften) und beschreibt in der Medizin das unphysiologische Anhaften von Geweben. Im Unterschied zur Fibrose, die eine diffuse Bindegewebsvermehrung beschreibt, sind Adhäsionen durch direkte Verwachsungen zwischen Organen oder Gewebeschichten gekennzeichnet. Diese entstehen durch fibrinreiche Exsudate, die bei Entzündungsprozessen oder nach Verletzungen gebildet werden. Wird das Fibrin nicht rechtzeitig durch körpereigene Fibrinolytika abgebaut, entwickelt sich daraus eine bleibende Verbindung aus Kollagenfasern. Im weiteren Verlauf können diese Verwachsungen zunehmend stabil und bewegungseinschränkend werden.
Adhäsionen sind daher nicht nur ein passives Abfallprodukt des Heilungsprozesses, sondern können aktiv Gewebefunktionen beeinträchtigen. Besonders betroffen sind seröse Häute wie das Peritoneum, Pleura oder Perikard, die unter normalen Umständen gleitfähige Oberflächen darstellen.
Entstehung und Ursachen von Adhäsionen
Adhäsionen können in nahezu allen Körperregionen auftreten, besonders häufig sind jedoch folgende Auslöser:
- Chirurgische Eingriffe im Abdomen (z. B. Appendektomie, Kaiserschnitt, Darmoperationen)
- Infektiöse oder sterile Entzündungen (z. B. Peritonitis, Endometriose)
- Traumata oder Verletzungen durch Fremdkörper (z. B. Drainagen, Tupfer)
- Strahlentherapie im Bauch- oder Beckenbereich
Weitere Risikofaktoren umfassen chronische Entzündungen, wiederholte Operationen oder eine genetisch bedingte verminderte Fibrinolyse. Auch der Operationsstil – offen chirurgisch versus laparoskopisch – hat einen nachweisbaren Einfluss auf die Adhäsionsrate.
Symptome und Folgen einer Adhäsion
Viele Adhäsionen bleiben asymptomatisch und werden nur zufällig entdeckt. Treten jedoch Beschwerden auf, äußern sie sich abhängig von Lokalisation und Ausmaß:
- Chronische oder intermittierende Schmerzen, insbesondere im Unterbauch
- Störungen der Organfunktion (z. B. Darmmotilität, Fruchtbarkeit)
- Mechanischer Ileus durch Strangulation von Darmabschnitten
- Bewegungseinschränkungen nach orthopädischen Operationen
In der Gynäkologie sind Adhäsionen eine häufige Ursache für unerfüllten Kinderwunsch, insbesondere wenn Eileiter und Ovarien betroffen sind. In der Viszeralchirurgie gehören Adhäsionen zu den Hauptursachen für den postoperativen Ileus, eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation.
Diagnostik und bildgebende Verfahren
Die Diagnostik einer Adhäsion gestaltet sich schwierig, da herkömmliche bildgebende Verfahren wie Sonografie oder CT häufig keine eindeutigen Befunde liefern. Die Laparoskopie gilt als Goldstandard zur sicheren Diagnose, da sie direkte Sicht auf die Adhäsionen ermöglicht und zugleich therapeutisch genutzt werden kann. In bestimmten Fällen können auch MRT-Techniken mit Kontrastmittel hilfreich sein.
In der Praxis wird die Diagnose oft retrospektiv gestellt, wenn wiederholte abdominelle Beschwerden oder ein Ileus ohne andere erkennbare Ursache auftreten. Der klinische Verlauf und die Anamnese sind daher von zentraler Bedeutung.
Therapie und Prävention von Adhäsionen
Die Behandlung richtet sich nach der Schwere der Symptome und dem Ausmaß der Adhäsion. In vielen Fällen ist eine konservative Therapie ausreichend. Bei therapieresistenten Beschwerden oder drohendem Ileus kann ein operatives Vorgehen erforderlich sein:
Therapiemöglichkeiten im Überblick:
- Schmerztherapie und entzündungshemmende Medikamente
- Laparoskopische oder offene Adhäsiolyse (Lösung der Verwachsungen)
- Anwendung von Adhäsionsbarrieren während Operationen (z. B. Hyaluronsäure-Gel, oxidierte Zellulose)
- Physiotherapie nach orthopädischen Eingriffen zur Mobilisation
Einmal operativ gelöste Adhäsionen können erneut auftreten – sogenannte Re-Adhäsionen. Die chirurgische Behandlung sollte daher möglichst schonend und unter Anwendung von Adhäsionsprophylaktika erfolgen. Besonders bei wiederholten Eingriffen muss das Risiko für neue Verwachsungen mitbedacht werden.
Die Prävention spielt bei Adhäsionen eine zentrale Rolle. Chirurgische Techniken mit minimalinvasivem Ansatz, atraumatisches Operieren und der Einsatz von Barrierepräparaten können das Risiko deutlich senken. Auch Schulungen des OP-Personals und standardisierte Abläufe helfen, Adhäsionen langfristig zu vermeiden.
Adhäsionen in der klinischen Praxis
Adhäsionen sind verantwortlich für einen hohen Anteil an Re-Operationen im Bauchraum und bedeuten eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem. Nach Angaben der Fachliteratur entwickeln bis zu 90 % der Patienten nach abdominellen Operationen Adhäsionen, auch wenn nur ein Bruchteil davon symptomatisch wird. Besonders kritisch sind Adhäsionen im kleinen Becken, da sie neben chronischen Schmerzen auch psychische Belastungen und Einschränkungen der Lebensqualität verursachen können.
Langfristig angelegte Nachsorgekonzepte und strukturierte Aufklärung vor elektiven Eingriffen gewinnen daher zunehmend an Bedeutung. Der Umgang mit Adhäsionen erfordert interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Chirurgen, Radiologen, Gynäkologen und Schmerztherapeuten.
Quellen
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