Zwischen 50 und 60 cm lang ist die Nabelschnur am Ende einer Schwangerschaft, jene anatomische Verbindung zwischen Mutterleib und dem heranwachsenden Kind. Durch die schlauchartige Struktur erfolgt eine stetige Versorgung des Embryos bzw. Fetus mit frischem Blut, Sauerstoff und Nährstoffen. Auch der Abtransport von Abfallprodukten des Stoffwechsels, v. a. aber Kohlenstoffdioxid wird durch die Nabelschnur sichergestellt. Bekanntermaßen erfolgt kurz nach der Geburt die Durchtrennung dieser über die gesamte Schwangerschaft hin lebensnotwendigen Verbindung.

Eine Betäubung ist hierbei nicht notwendig, da die Nabelschnur – ähnlich wie das Gehirn – keinerlei Schmerzrezeptoren enthält. Stattdessen ist dieses Areal aber reich an medizinisch hochinteressantem Stammzellmaterial. Seit rund 30 Jahren weiß die Wissenschaft von dieser Tatsache und in Zeiten modernster Medizin werden die Einsatzmöglichkeiten solcher Zellen immer vielseitiger.

Die Nabelschnur: Schlaraffenland für Stammzellforscher

Wie erwähnt ist das Blut bzw. das Gewebe innerhalb der Nabelschnur extrem reich an jungen Stammzellen. Besonderes vertreten sind hierbei die sog. hämatopoetischen Vertreter. Dabei handelt es sich um die Ursprungszellen der Blutbildung (Hämatopoese), die man beim Erwachsenen praktisch ausschließlich im Knochenmark findet. Das zahlreiche Auftreten in der Nabelschnur erklärt sich wie folgt: Das blutbildende System wechselt während der embryonalen und fetalen Entwicklung mehrmals den Ort.

Etwa um die vierte Schwangerschaftswoche beginnen die ersten reifen blutbildenden Stammzellen ihre Arbeit – zu diesem Zeitpunkt befindet sich die embryonale Blutbildung in der Rückengegend und um die Hauptschlagader herum. Später manifestieren sich die Zellen in Leber und Milz, ehe sie im letzten Schwangerschaftsdrittel ihren endgültigen "Arbeitsplatz" im Rückenmark erreichen. D. h. während dieser gesamten Zeit zirkulieren unzählige Stammzellen im Blutkreislauf und folglich auch durch die Nabelschnur.

Stammzelltherapie steht vor Umbruch

Eine Behandlung mit Stammzellen scheint bei vielen bislang unheilbaren Erkrankungen Hoffnung zu geben. Gleichzeitig stößt dieses Thema häufig auf ethische Bedenken. Dabei ist der Einsatz von blutbildenden Stammzellen bei einer Erkrankung schon seit langem die einzig wirksame Therapie: Der Leukämie.

Nabelschnurblut enthält genau jene Stammzellen, die für eine erfolgreiche Therapie notwendig sind. Zudem sind die Zellen hier jünger und leistungsfähiger. Eine Entnahme aus dem Knochenmark eines Spenders würde ebenfalls unterbleiben.

Um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein, bieten immer mehr Institute die Möglichkeit, das freilich nur bei der Geburt zu gewinnende Nabelschnurblut zu konservieren. Hier haben Eltern die Möglichkeit für ihr Kind das Blut entnehmen zu lassen, sodass der Nachwuchs im Falle einer Erkrankung darauf zurückgreifen kann. Übrigens eignen sich Stammzellen aus Nabelschnurblut auch zur Behandlung vieler nicht-onkologischer Krankheitsbilder.

Gerade Länder wie die USA sind Deutschland da bereits weit voraus:

„Demgegenüber ist die Verbreitung in Deutschland, wo das Thema sehr kontrovers diskutiert wird, noch nicht ganz so groß. Hier sind zudem die Onkologen und Hämatologen noch sehr uneins, ob sie lieber eine geringere Abstoßungsgefahr und dafür eine längere Anwachszeit hätten, wie es bei Nabelschnurblutzellen der Fall ist, oder eben andersherum mit Knochenmark – das muss die Wissenschaft noch klären“,

so Dr. Martin Imhof vom Fachportal www.nabelschnur-experten.de. Möglich wäre beispielsweise ein Einsatz beim Herzinfarkt um zerstörtes Gewebe wiederherzustellen.

Vor- und Nachteile der Nabelschnurblutzellen

Der wichtigste Vorteil liegt sicherlich in der leichten und komplikationsarmen Gewinnung – es müssen keine Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen werden. Außerdem ist die latente Infektionsgefahr bei Stammzellblut signifikant geringer, gleiches gilt für chromosomale Veränderungen bzw. Mutationen. Das Zellmaterial kann bei Bedarf sofort bereitgestellt werden – die oft langwierige und nicht immer erfolgreiche Suche nach einem passenden Spender entfällt. Schließlich weisen die jungen Zellen ein hohes Vermehrungspotenzial auf und können sich auch zu anderen Geweben (z. B. Haut, Muskulatur, Blutgefäße, etc.) differenzieren (pluripotente Stammzellen).

Als nachteilig ist sicherlich die Tatsache anzusehen, dass diese Art des Stammzellmaterials lediglich bei der Geburt des Kindes entnommen werden kann. Letzteres kann also gar nicht darüber entscheiden, ob es eine Konservierung möchte. Auch die Gesamtmenge an Stammzellen ist gegenüber dem Knochenmark sehr begrenzt. Nach Implantation mit Nabelschnurblutzellen dauert es gegenüber den Knochenmarkszellen wesentlich länger, bis die neue Blutbildung induziert wird.

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