Ein Aftervorfall, medizinisch auch als Analprolaps oder Rektumprolaps bezeichnet, ist ein Zustand, bei dem sich ein Teil des Mastdarms durch den Anus nach außen stülpt. Dabei kann es sich um die Darmschleimhaut (partieller Prolaps) oder die gesamte Darmwand (vollständiger Prolaps) handeln. Der Vorfall tritt häufig beim Stuhlgang auf, kann sich jedoch im Verlauf der Erkrankung auch unabhängig davon zeigen. Ein Aftervorfall ist nicht nur ein anatomisches Problem, sondern beeinflusst auch die Lebensqualität der Betroffenen erheblich.

Formen des Aftervorfalls

Je nach Ausprägung unterscheidet man mehrere Formen des Aftervorfalls:

  • Partieller Prolaps: Nur die Schleimhaut des Rektums wölbt sich nach außen. Dies ist häufig bei Kindern oder leichteren Formen der Erkrankung zu beobachten.
  • Kompletter (vollständiger) Prolaps: Die gesamte Wand des Enddarms tritt durch den Analkanal.
  • Internes Rektumprolaps (intussusception): Der Darm stülpt sich nach innen, ohne durch den Anus sichtbar zu werden. Diese Form bleibt oft lange unerkannt.

Ursachen und Risikofaktoren für einen Aftervorfall

Ein Aftervorfall entsteht meist nicht plötzlich, sondern entwickelt sich über längere Zeit. Der zugrunde liegende Mechanismus ist eine Schwächung des Beckenbodens und des Schließmuskels. Dies kann verschiedene Ursachen haben:

  • Chronische Verstopfung mit starkem Pressen beim Stuhlgang
  • Geburten, insbesondere Mehrlingsgeburten oder schwere vaginale Entbindungen
  • Alterungsprozesse mit nachlassender Gewebespannung
  • Neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Rückenmarksläsionen
  • Angeborene Bindegewebsschwächen
  • Frühere Operationen im Bereich des Beckens

Vor allem Frauen über 60 Jahren sind betroffen, aber auch Männer, insbesondere bei chronischer Obstipation oder neurologischer Vorschädigung.

Symptome eines Aftervorfalls

Ein Aftervorfall äußert sich durch verschiedene Beschwerden. Diese können sich im Verlauf verstärken und sollten ernst genommen werden:

  • Sichtbarer Austritt von Darmgewebe aus dem Anus, besonders beim Pressen
  • Druckgefühl oder Fremdkörpergefühl im Afterbereich
  • Nässen, Schleim- oder Stuhlschmieren
  • Schmerzen beim Stuhlgang
  • Stuhlinkontinenz oder unvollständige Entleerung

Die Beschwerden verstärken sich meist im Laufe der Zeit, insbesondere wenn der Vorfall unbehandelt bleibt. In fortgeschrittenen Stadien kann der Prolaps dauerhaft bestehen und lässt sich nicht mehr manuell zurückschieben.

Diagnose: Wie wird ein Aftervorfall festgestellt?

Die Diagnose eines Aftervorfalls erfolgt zunächst durch eine gründliche klinische Untersuchung. Dabei begutachtet der Arzt den Analbereich im Stehen und Sitzen sowie unter Pressen. Ergänzend können folgende Verfahren zum Einsatz kommen:

  • Endoskopie zur Beurteilung der Darmschleimhaut
  • Defäkographie, eine spezielle Röntgenuntersuchung des Enddarms
  • MRT des Beckens, um den Zustand der Beckenbodenmuskulatur zu beurteilen
  • Manometrie, zur Messung des Schließmuskeltonus

Behandlung des Aftervorfalls

Die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß des Prolapses sowie nach Alter, Allgemeinzustand und Symptomen des Patienten. Unterschieden wird zwischen konservativen und operativen Verfahren.

Konservative Maßnahmen

Bei leichten Fällen oder internem Prolaps können konservative Methoden helfen:

  • Ballaststoffreiche Ernährung zur Vermeidung von Pressdruck
  • Beckenbodentraining zur Kräftigung der Muskulatur
  • Abführmittel nur bei Bedarf und unter ärztlicher Kontrolle
  • Biofeedback-Therapie zur Kontrolle der Schließmuskulatur

Chirurgische Therapie

Bei vollständigem Aftervorfall ist eine Operation meist unumgänglich. Hierbei kommen verschiedene Verfahren infrage:

  • Rektosigmoidopexie: Befestigung des Rektums am Kreuzbein, meist minimal-invasiv (laparoskopisch)
  • Resektionsrektopexie: Kombination aus Entfernung eines Darmabschnitts und Fixation
  • Perineale Techniken wie die Delorme- oder Altemeier-Operation, besonders bei älteren Patienten mit hohem OP-Risiko

Die Wahl des Verfahrens richtet sich nach individuellen Faktoren und wird nach eingehender Diagnostik festgelegt.

Prognose und Nachsorge

Ein unbehandelter Aftervorfall verschlechtert sich in der Regel mit der Zeit und kann zu Komplikationen wie Ulzerationen, Einblutungen oder Inkontinenz führen. Frühzeitige Behandlung verbessert die Prognose deutlich. Nach einer Operation sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen und gezielte Beckenbodengymnastik wichtig, um Rückfälle zu vermeiden.

Prävention: Was hilft gegen einen Aftervorfall?

Ein gesunder Lebensstil spielt eine zentrale Rolle bei der Vorbeugung:

  • Vermeidung von chronischer Verstopfung
  • Ausgewogene Ernährung mit ausreichend Ballaststoffen
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
  • Regelmäßige Bewegung
  • Beckenbodentraining, besonders nach Geburten

Die frühzeitige Behandlung von Darmfunktionsstörungen kann ebenfalls helfen, einem Aftervorfall vorzubeugen.

Quellen

  • Netter FH. Atlas der Anatomie des Menschen. 7. Aufl. München: Elsevier; 2019.
  • Putz R, Pabst R. Sobotta – Atlas der Anatomie des Menschen. Band 2: Innere Organe. 24. Aufl. München: Elsevier; 2017.
  • Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus LernAtlas der Anatomie: Innere Organe. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2011.
  • Standring S, ed. Gray’s Anatomy: The Anatomical Basis of Clinical Practice. 42nd ed. London: Elsevier; 2020.
  • Höch J, Schlag PM. Chirurgie. 3. Aufl. München: Urban & Fischer; 2016.